Wednesday, September 14, 2016

Kategorienfehler oder Vermeidung von Verantwortung

Notizen und Gedanken zum Artikel "Kennzahlen forcieren eine Entmenschlichung der Wirtschaft" von Conny Dethloff aus der Reise des Verstehens: http://blog-conny-dethloff.de/?p=3587

Zuweilen ist es interessant Zusammenhänge des Wirtschaftens aus einer anderen Perspektive als der des Geldes zu betrachten. Die Frage wie findet sich der Mensch als Mensch in wirtschaftlichen Zusammenhängen wieder, ist ein mit moralisch, emotionalen Konflikten besetztes Thema und eine nähere Betrachtung oft erhellend.

Ausgangspunkt ist die interessante Denksportaufgabe folgend aus der Behauptung, die Modellierung von Zusammenhängen durch Zahlen und physikalische Einheiten würde bei der Betrachtung von Verhältnissen verschiedener Einheiten einen grundlegenden Kategorienfehler begehen. Da Multiplikation und Division auf Addition und Subtraktion beruhen, müsste man eigentlich auch verschiedene Masseinheiten addieren und subtrahieren können. Aber was soll das Ergebnis hiervon sein?

Was passiert hier?

Hmm?!? Hier haben wir also den Versuch eines Wiederspruchsbeweises, um übliche Denkmuster aufzubrechen. Ich halte ihn für einen interessanten Denkanstoß, obwohl konzeptionell falsch und unschlüssig. Letztlich lenkt das vom Kern der Beobachtung der Entmenschlichung eher ab, als ihn zu erklären oder zu stützen. Das ist schade und daher folgt der Versuch einer Klärung:

Widerspruch zum Widerspruch

Der Widerspruch entsteht nur dadurch, dass eine Randbedingung der Modellierung von Zusammenhängen über physikalische Einheiten nicht betrachtet wird. Diese Methodik der Modellierung formuliert als eine Regel der Modellbildung, dass bei der Erstellung von Verhältnissen die Einheiten mitgeführt und zuweilen auch mit eigenständigen Namen versehen werden. Das ist hilfreich, weil man gemerkt hat, dass diese Modellierung mit empirischen Phänomenen passt und sinnvolle Aussagen liefert. Es handelt sich um sinnvolle Modellbildung, nicht um unmittelbare Realität. Modelle haben Grenzen und eine der Grenzen ist, dass verschiedene Einheiten nicht durch Addition und Subtraktion verrechnet werden. Es ist eine Grenze, weil im Rahmen der Modellbildung dieser Vorgang keine sinnvolle Bindung des Ergebnisses mit der Realität erreicht. Man kann auch vorsichtiger formulieren, es ist bisher niemandem etwas eingefallen, weshalb das sinnvoll sein soll, also wird es nicht gemacht. Das heranziehen eines Widerspruch von außerhalb des Gültigkeitsbereichs des Modells bzw. durch die Nutzung eines Vorgangs, der in der gewählten Modellbildung als nicht sinnvoll angesehen wird, um das Modell zu diskreditieren und seine Sinnhaftigkeit grundsätzlich zu bezweifeln und daher grundlegende Kategorienfehler zu behaupten, ist daher eine Scheinargumentation.

Sinnvoller und nicht statthafter Umgang mit Modellen

Womit nicht gesagt sein soll, dass die Art der Modellbildung keinen Einfluss darauf hätte, wie wir mit der Welt umgehen. Im Gegenteil. Die Behauptung von Kategorienfehlern erscheint mir aber wenig konstruktiv. Ein besseres Verständnis der Grenzen und Effekte der verwendeten Modellbildung kann unmittelbarer helfen zu einer Modellbildung der Wirklichkeit zu kommen, in der Menschlichkeit besser zum tragen kommt. Vorab wäre natürlich zu klären, ob das überhaupt ein gemeinsames Ziel ist. Die entsprechende Diskussion ist ebenfalls wesentlich unmittelbarer und effektvoller, als eine vergleichsweise abstrakte und wackelige Argumention verbundener aber nicht in einem schlüssigen Konzept integrierter Methodiken. Vorausgesetzt es geht um einen Effekt, der über eine äußerst interessante Denkübung hinaus geht.

Entmenschlichung und Verantwortung
Die Grundaussage, dass Kennzahlen ungeeignet sind Lebendigkeit zu fassen und inherent eine Entmenschlichung der Wirtschaft befördern braucht die obige Fundierung nicht. Die Art der Modellbildung der Wirtschaftstheorie beinhaltet massive Vereinfachungen insb. den quasi vollständigen Bereich menschlichen Erleben mit all seinen Widersprüchen und Selbstbezüglichkeiten, die Komplexität menschlichen Handelns und zwischenmenschlicher Beziehungen usw. Es ist eben ein Modell nicht die Wirklichkeit. Wenn wir uns in ein Modell einsperren lassen, das uns nicht berücksichtigt, nenne ich das Passivität getrieben aus dem Wunsch Verantwortung zu vermeiden. Häufiger verwendet, weil genau dieser Umstand gleichzeitig beschönigt und befördert wird, ist der Begriff "Sachzwang".